Die innere Sicherheit

Was uns in Deutschland über andere Länder an Nachrichten erreicht sind meist Bilder des Schreckens und der Zerstörung. Sie schüren Ängste und warnen davor, diese Länder zu besuchen. Zusätzlich gibt es vom Auswärtigen Amt Reisewarnungen und Sicherheitshinweise, die von Reisen in gesamte Länder oder in bestimmte Gebiete einzelner Länder abraten.
Ich will den Nutzen von Nachrichten und Warnungen dieser Art nicht in Frage stellen. Auf unserer Reise habe ich aber erkannt, dass sie den Fokus eben nur auf Dinge richten, die eventuell eine Gefahr darstellen können. Berichte aus Erdbebenregionen zeigen zerstörte Häuser und nicht die Intakten. Aus Konfliktregionen werden bis an die Zähne bewaffnete Soldaten und Aufständige gezeigt, aber nicht der Hirte, der seine Herde über die Wiese treibt, nicht die Frauen, die im Fluss baden, nicht die Kinder, die auf der Straße spielen. Wir durchquerten einige Regionen vor denen gewarnt wird: Bergkarabach im Süden Armeniens, das Wakhan Valley an der Grenze zu Afghanistan und die Pamirregion in Tadschikistan, Nepal und Manipur im Nordosten Indiens.
Wir fahren durch diese Gebiete mit dem unguten Gefühl, dass etwas passieren könnte. In manchen Gegenden patroullieren Soldaten auf der Straße oder sie halten Wache in der Ferne. Wir kommen durch Dörfer und die Menschen freuen sich uns zu sehen. Manchmal spricht jemand Englisch und wir können fragen, was denn hier los ist. Meist zucken die Leute mit den Schultern. Es gibt kein Problem, sagen sie, und wenn, dann betrifft es nur ein paar Wenige und Touristen schon gar nicht, weil die mit der Landespolitik nichts zu tun haben. Also wenn euch ein bewaffneter Rebell begegnet und euch zum Tee einlädt, könnt ihr bedenkenlos mit ihm gehen. Dann fragen sie nach unserer Reiseroute und schlagen entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie erfahren, dass wir nach Serbien, Rumänien, Bulgarien, Iran, Indien oder ins benachbarte Dorf wollen. Denn dort ist es schließlich gefährlich.
Menschen haben überall Angst, aber meist vor dem Unbekannten, vor dem, was sie nicht selbst erfahren haben.

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Eine Nacht allein auf weiter Flur im Zelt zu verbringen, ist für viele, mit denen wir gesprochen haben, der blanke Horror. Dunkelheit, Geister, wilde Tiere, Wind und Wetter, keine andere Menschenseele und kein 7/11 (Supermarkt) sind für sie unkalkulierbare Risiken.

Seit eingigen Monaten erreichen uns folgende Schlagzeilen aus Deutschland und Europa: Übergriffe auf deutsche Frauen von Ausländern, Rechte Stimmen werden lauter, Terroranschläge in Paris und Istanbul… Nicht besonders einladend, oder?
Ich merke, wie ich Angst vor Europa bekomme und ziehe in Erwägung, mich so lange in der Ferne aufzuhalten, bis sich die Lage wieder beruhigt hat. Denn gerade ich lasse mich durch Nachrichten dieser Art leicht verunsichern und abschrecken. Aber dann entdecke ich in mir wieder das Gefühl, das durch die bisherigen Erfahrungen auf der Reise in mir entstanden ist und meinen Blick auf die Welt verändert hat: ich fühle mich trotz allem sicher und aufgehoben. Zum einen durch die glücklichen Begebenheiten mit freundlichen und hilfsbereiten Menschen, denen wir immer wieder und überall begegnet sind. Zum anderen durch die eindrücklichen Erlebnisse in der Natur, die uns wieder auf das Wesentliche reduzieren.

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2 thoughts on “Die innere Sicherheit

  1. Liebe Cora,
    das ist wohl das schönste Geschenk einer solchen Reise: wenn Du Dich trotz großer Schwierigkeiten, durchstandner
    Abenteuer, Willkür und mancher Unverständlichkeiten aufgehoben und sicher fühlst. Dies ist wirklich ein großer Schatz den wir auch in unserem momentan sich sehr bedenklich entwickelnden Europa brauchen.

    Judith hat recht !! :)))

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