Weite, grenzüberschreitende Strecken mit dem Fahrrad zurück zu legen, ist für mich inzwischen weniger eine Frage der Kraft und Ausdauer sondern vielmehr eine Frage der Geduld. Ich schwinge mich morgens auf mein Fahrrad, sehe 100 km Strecke oder 1000 Höhenmeter vor mir und weiß, dafür brauche ich heute den ganzen Tag.
Autos überholen mich, Motorräder, LKWs, manchmal sogar Fußgänger und immer wieder Wolfgang. Ich rechne aus, dass der Autofahrer in einer Stunde unser Tagesziel erreicht haben wird genauso wie der Motorradfahrer. Der LKWfahrer wird in zwei Stunden dort sein, eine kurze Pause einlegen, um Motor und Bremsen zu kühlen und dann weiter tuckern. Wolfgang wird nach ein paar Kilometern wieder auf mich warten. Dabei Spiegel online lesen, Ideen für den Blog notieren, Fotos machen, die Kette ölen, Sonnencreme auftragen, die Karte studieren und sich mit Leuten unterhalten. Der Fußgänger wird unser Tagesziel… halt, stop! Den Fußgänger kann ich einholen, wenn ich aufhören würde, mich durch schwere Gedankengänge wie diesen auszubremsen. Ich versuche mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und strampel weiter. Doch nach ein paar Kilometern fluche ich wieder vor mich hin und erkläre mich für bekloppt, weil ich bei größter Hitze in praller Sonne Fahrrad fahre, während jeder Einheimische im Schatten eines Baumes liegt und sich selbst ein verständnisloses Kopfschütteln spart. Es ist Mittag und wir legen eine Pause ein. Meistens haben wir erst knapp die Hälfte des Tagespensums erfüllt. Ich ächze und stöhne und habe inzwischen trotzdem die Gewissheit, dass ich früher oder später unser Ziel erreichen werde. Auch im Schneckentempo.
Und dann gibt es Länder wie Armenien oder Myanmar in denen ich mich fühle wie eine Tour de France Fahrerin. Begleitet von Versorgungswägen, aus denen mir Wasser, Obst und Knabbereien gereicht werden, krieche ich auf einer Welle der Begeisterung unserem Tagesziel entgegen. Die Menschen rufen, winken, schwenken erhobene Daumen und ermutigen mich mit Kilometerangaben, dass es nicht mehr weit ist.
Oder ich fahre durch atemberaubend schöne, verkehrsfreie, fast menschenleere Landschaft wie in Kirgistan. Ich lasse meinen Blick weit in die Ferne schweifen, atme die klare Luft, genieße die Stille und bin so glücklich, dass ich dieses Stück Erde aus eigener Kraft entdecken kann.
In diesen Momenten weiß ich wieder, warum es sich lohnt, die Geduld aufzubringen, die Welt mit dem Fahrrad zu erfahren.
Hallo Cora,
ich glaub‘ ich kann sehr gut nachfühlen, wie Du Dich sehr oft fühlst.Diese Gedanken, die oft alles so schwer machen,
entstehen bei mir sobald ich mich selbst verliere und mich mit jemand anderem vergleiche. Erschwert wird das Ganze noch dadurch, wenn man den Eindruck bekommt frau ist zu langsam..(in meinem Fall: frau verzettelt sich).Fakt ist, jeder hat sein Tempo und Du kannst es Dir genauso schön machen auf DEINEM Strecken-Teilchen Erde, dass Du auf DEINE Art entdecken darfst.
Wünsch dir, dass du Dich freimachen kannst von dem Druck, der manchmal entsteht und diese Gedanken als lausige, miesepetrige Mitfahrer in ihre Schranken weisen kannst. Viel Geduld mit diesen hartnäckigen Begleitern ;))
alles Liebe