Tadschikistan – Enjoy!

Enjoy! wurde uns immer gesagt, wenn wir erzählten, dass unsere Route durch Tadschikistan über den legendären Pamir Highway führen würde. Enjoy!!!

In Tadschikistan laufen die Dinge ein bisserl anders. Wenn wir durch ein Dorf fahren kommen nicht mehr Hunde aus den Haus- und Hofeingängen geschossen, sondern Kinder, die laut bellend – oh pardon, ich meinte natürlich grüßend – hinter uns her laufen. „Hello! What is your name!“ rufen die Meisten auch die ganz Kleinen und sie platzen vor Stolz diesen Satz anwenden zu können. Bei diesem Satz handelt es sich dann auch nicht um eine höfliche Frage, sondern um einen Befehl! Die Hunde hingegen jagen zähnefletschend vorbei fahrenden Autos hinterher, vermutlich weil die Radfahrer auf dem Geröllfeld, das sich Highway nennt,  zu langsam voran kommen und das keine Herausforderung für sie darstellt. In Tadschikistan wird auch nicht die Ein-Kind-Politik verfolgt. Dafür begegnen mir am Tag viel zu viele Halbwüchsige, die meinen Namen wie ein Losungswort einfordern. Nein, hier gibt es die Ein-Kuh-Politik. Eine Kuh ist hier scheinbar Gold wert, denn sie wird von der ganzen Familie zu ihrem Weideort gebracht und abends wieder abgeholt. Oder früher am Tag, wenn sie sich durch lautstarkes Muhen bemerkbar macht. Die Menschen in Tadschikistan sind sehr herzlich und, was mir besonders gut gefällt, die Frauen sind im öffentlichen Leben präsenter als in den Ländern davor. Zum ersten Mal spüre ich so etwas wie Solidarität und Anerkennung von weiblicher Seite und ernte nicht nur misstrauische oder abschätzige Blicke, wenn ich in meinem Outdoorlook irgendwo auftauche. Sie sind stolz und selbstbewusst und auf diese Art laden sie uns ein und grüßen uns. Das ist etwas, was ich hier wirklich genieße.

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Gut. Ich genieße es also von Kindern gejagt zu werden anstatt von Hunden. Ich genieße viele Kinder und eine Kuh. Und ich genieße die lang ersehnte und vermisste Frauensolidarität. Und natürlich genieße ich den Pamir Highway.

Nein, tut mir leid, den Highway genieße ich überhaupt nicht. An manchen Tagen befürchte ich eine Schleudertrauma von dem ganzen Durchgeschüttel davon getragen zu haben. Hunderte von Kilometern reiht sich Schlagloch an Schlagloch, Stein an Stein, Sandhügel an Sandhügel, Bodenwelle an Bodenwelle und dazwischen Asphaltfleckerl, die die Eigenschaft von Bremsgummi haben. Dann kommt ein LKW von vorne, ein irre fahrendes 4W-Taxi von hinten, eine bröckelnde Felswand von rechts und der Abgrund in den braunen, reissenden Fluss von links. (Meine Road Rage Liste ist länger geworden.) Um mich herum nichts als Staub und von oben knallt die Sonne herunter. Ich muss mich so sehr auf den Weg konzentrieren, dass ich grösste Mühe habe, die zum Teil wunderschöne Landschaft zu genießen, die mich umgibt.
Die meisten Radfahrer denen wir begegnen, wirken relativ strapaziert. Aber niemand vergisst zu betonen, wie schön es hier doch sei. Gell, grad schee is! Und ein manchmal sogar augenzwinkerndes Enjoy! hinzuzufügen. Schließlich muss man dem Ruf des Pamir ja irgendwie gerecht werden.

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Ja und ich genieße tatsächlich das Baden in Flüssen, kleinen Seen und unter Wasserfällen. Das Eintauchen in die kühlen, oasenhaften Dörfer. Passwege und Zeltplätze die nach Lavendel, Thymian, Salbei, Kamille und Rosmarin duften. Die Ausblicke auf den Hindukusch und schneebedeckte Gipfel. Die Weite der Hochebenen. Das unbeschreibliche Blau des Karakul Sees. Die mannigfaltigen Farbschattierungen der Berge. Die sternenklaren Nächte. Und schließlich eine geteerte Straße als wir endlich auf die M 41 stoßen.
Und dann … ja dann kam der Wind…

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Mein Tipp! Der Pamir ist was für ambitionierte Mountainbiker mit starken Nerven, guter Federung, wenig Gepäck und drei, vier Kilo zu viel auf den Rippen (sehr schlechte Versorgung). Richtig Spaß hatten meiner Meinung nach die Motorradfahrer oder diejenigen mit eigenem 4W- Fahrzeug. Die Touris, die aus den Taxis wankten, hatten in der Regel eine ungesunde Gesichtsfarbe. Aber, probiert es selbst und nicht vergessen: Enjoy!

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5 thoughts on “Tadschikistan – Enjoy!

  1. Enjoy…liebe Cora,
    die Landschaft mußt Du vielleicht so wie ich über Eure Bilder genießen oder im Nachhinein aus der Erinnerung heraus nochmal an Dir vorbeiziehen lassen… sagen zukönnen:“ ich bin den Pamir geradelt“ das darf Dich mit Stolz
    erfüllen!! Das war nochmal eine Herausforderung der Du Dich trotz aller Probleme gestellt hast: Niemand weiß was er kann bevor er es tut !
    Die Solidarität mit den Frauen in diesem Land, das Gefühl tut Dir auch sehr gut ..hab das Gefühl, Deine humorvolle Seite wächst… Enjoy

  2. Hey Cora,
    endlich schaff ichs mal und hab Muse…Tolle Bilder und sau coole Berichte. Super auch die Bilder aus meiner Heimat… Ulm, Blaubeuren. Stark, dass ihr die „harte Route“ genommen habt! Schon heftig, was ihr so mitmachen dürft…böse Hunde, Steine werfende Kinder….Ist aber sicher unbezahlbar… und weiter nach???? Bischkek?Wünsch euch weiter alles gute und viel Glück. Haut rein!!
    Liebe Grüße aus Mannheim….
    Thomas
    Ps. Emilja und Julian vermissen dich immer noch….

    1. Hi Thomas,dein Kommentar hat mich sehr gefreut! In Kirgistan hat auch im September die Schule begonnen. Da musste ich oft an euch denken. Die Schulmaedche tragen hier grosse weiße Schleifen im Haar und zum Teil auch weiße Spitzenschuerzen. Sehr fein!

  3. Oh my god !!! wie wunderschön die Landschaft ist !? Ich finde es großartig, dass du seit langem dein Frausein öffentlich geniessen darfst !! Also enjoy 😀 Ich schick euch herbstliche Grüße mit güldenem Vollmondschimmer !! Eure Magda

    1. Hi Magda, freut mich sehr, dass du unseren Blog so aktiv verfolgst! Liebe Grüße aus Bishkek 🙂

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